Die Vorbereitete Umgebung

Die Angebote der „Vorbereiteten Umgebung“ im Innen und Außenbereich orientieren sich an den Bedürfnissen und Interessen der Kinder. Dies setzt eine genaue Beobachtung der Kinder ebenso voraus wie die Kenntnis und das Erkennen von „Sensiblen Phasen“ – Zeiträume oder Zeitfenster innerhalb der kindlichen Entwicklung, in denen das Kind besonders aufnahmebereit ist für all jene Eindrücke, die einen ganz bestimmten Entwicklungsschritt erleichtern oder ermöglichen.


 „Ein Kind, das sich in der richtigen Umgebung ungestört entwickelt, kommt ganz von selbst zu seiner Zeit dazu, zielbewusst zu arbeiten.“ 

(Maria Montessori, Quelle: Grundlagen meiner Pädagogik)


was meinen wir mit vorbereiteter umgebung?

Die Vorbereitete Umgebung ist die ganze physische und psychische Umgebung des Kindes.  Also alles was das Kind während seines Heranwachsens und seiner Entwicklung umgibt, womit es in Berührung kommt.

 

Kurz gesagt, es geht dabei nicht nur um die räumliche Vorbereitete Umgebung, also nicht nur um das Zuhause, das eigene Zimmer oder den Gruppenraum in der Einrichtung, sondern auch um die Umwelt, die Natur (Pflanzen- und Tierwelt), die physikalischen und chemischen Gesetze die uns umgeben.

 

Ein wesentlicher, sehr wichtiger Aspekt ist die soziale und emotionale Vorbereitete Umgebung. Dabei geht es natürlich um die Eltern, andere Kinder, Familie, andere Erwachsene usw. und das Erleben von Beziehungen, Verhaltensweisen, Kommunikation, Emotionen und Gefühlen. Aber auch das Erfahren von Traditionen und kulturspezifischen Bräuchen.

 

Was ebenso zu einer guten Vorbereiteten Umgebung gehört ist die zeitliche Komponente. Hier geht es aber nicht nur um einen Tagesablauf der dem Kind Orientierung und Sicherheit gibt, sondern auch darum, dass die Vorbereitete Umgebung so gestaltet ist, dass das Kind ausreichend Zeit hat, nach seinen eigenen Bedürfnissen und in seinem eigenen inneren Takt zu arbeiten, so dass es alle seine inneren Bedürfnisse befriedigen und sättigen kann und ausreichend Angebot da ist um seine Entwicklung bestmöglich zu unterstützen. 


warum braucht das Kind eine gute vorbereitete Umgebung?

Während die Kinder heranwachsen, brauchen sie eine Vielfalt an verschiedenen Angeboten, die ihnen dabei Hilfestellung geben, alle ihre Potenziale und Entwicklungsbedürfnisse auszuleben.

 

Denn nur wenn man so viel Erfahrung wie nur möglich in dieser Welt sammeln kann,

kann man sich sicher und gut in ihr bewegen, kann alles in sich aufnehmen was man für ein gutes, zufriedenes und harmonisches Leben braucht.


die räumliche vorbereitete Umgebung

Kinder wollen und brauchen einen Austausch mit der Natur. Dies dient nicht nur der Entwicklung ihrer Großmotorik (wenn sie laufen, klettern, balancieren, verschiedene Bodenbegebenheiten vorfinden, usw.), oder ihrer sensorischen Entwicklung (das Berühren und Tasten von verschiedenen Oberflächen und Strukturen, z.B. Holz, Moos, Wasser, Erde, etc.), sondern auch dem Entwickeln eines wertschätzenden, liebevollen und schützenden Blicks auf die Natur in ihrer ganzen pflanzlichen und tierischen Vielfalt.

 

Betrachten wir die Räumlichkeiten zu Hause oder in der Einrichtung, so ist es wichtig, dass das Kind die passenden Bedingungen vorfindet, die es auch hier braucht, um sich bestmöglich entwickeln zu können. 

  • Hat das Kind Möbel in passender Größe? (Füße können gerade am Boden stehen, Beine sind im rechten Winkel)
  • Wie viele Spielsachen bzw Materialien biete ich meinem Kind gleichzeitig an?
  • Habe ich die Möglichkeit ein eigenes Regal für mein Kind aufzustellen, in denen ich die Angebote schön und ästhetisch herrichte, nicht zu viele davon, aber dafür öfters austausche?
  • Hat mein Kind zB einen eigenen Kleiderschrank, aus dem es die Wahl hat zwischen 2 verschiedenen Leibchen und zwei verschiedenen Hosen?
  • Hat es eine Bank oder einen Hocker (im Vorzimmer oder in der Garderobe, oder im Kinderzimmer), auf der es das Anziehen selbständig üben kann?
  • Hat es die Möglichkeit alleine zu arbeiten und sich zurückzuziehen wenn es das möchte?
  • Und hat es aber auch wiederum die Möglichkeit mit anderen zusammen zu sein wenn es das möchte, z.B. einen eigenen Platz, eine eigene Ecke im Wohnzimmer?
  • Haben wir die Möglichkeit das Zimmer des Kindes so auszuwählen und einzurichten, dass das Kind viel natürliches Tageslicht erleben kann? Wir können z.B. auch mit einer schönen hellen pastellfarbigen Wandfarbe für gutes harmonisches Raumklima sorgen.

Ein einfacher, aber sehr wirksamer Trick ist, sich auf die Höhe des Kindes zu begeben, sprich: sich auf den Boden zu setzen oder auf die Knie zu hocken und den Raum auf sich wirken zu lassen, ihn durch Kinderaugen „begutachten“.

 

Die veränderte Perspektive hilft sehr gut dabei, eventuellen Störfaktoren auf die Spur zu kommen.

 

Was braucht das Kind also in seiner räumlichen Vorbereiteten Umgebung?

  • Die Möglichkeit selbständig zu arbeiten und sein, unabhängig von der Hilfe eines Erwachsenen z.B. an ein Material zu kommen.
  • Einen schönen kindgerechten Tisch und Sessel zum Arbeiten, aber auch freien Platz um zB tanzen zu können, zu springen, sich zu bewegen.
  • Einen Rückzugsort (z.B. einen bequemen Sessel oder eine Polsterecke), der etwas abgeschottet vom Raum ist, um z.B. ein wenig in Büchern schmökern zu können, zur Ruhe kommen zu können, einfach mal in die Luft schauen zu können ..
  • Ein vielfältiges Angebot an Materialien und Oberflächenstrukturen (Holz, Keramik, Metall, Glas, usw.) – aber nicht alles gleichzeitig!
  • Die Möglichkeit Musik zu machen, zB Trommel, Rasseleier, Schellen, …
  • Den Zugang zu seinem eigenen künstlerischen Ausdruck, z.B. die Möglichkeit zu zeichnen, malen, mit Ton zu arbeiten, oder ähnliches

Die soziale und emotionale vorbereitete Umgebung

Spricht man von einer guten Vorbereiteten Umgebung, denkt man oft als erstes an die räumliche Komponente. Man denkt dabei nicht immer sofort auch an den Erwachsenen, speziell die Eltern, als Teil der Vorbereiteten Umgebung. Den Eltern, der Familie, anderen Kindern, und anderen Menschen die ein Teil des Lebens des Kindes sind, kommt dabei aber eine unglaublich wichtige Rolle zu.

 

Denn von den Erwachsenen „lernen“ die Kinder schlicht und einfach alles. Sie beobachten uns mit nicht ermüdender Aufmerksamkeit! Sie sehen uns nicht nur dabei zu wie wir sprechen oder wie wir uns die Schuhe binden, sondern sie sehen uns auch dabei zu, wie wir miteinander umgehen. Sind wir höflich, respektvoll? Lächeln wir beim Reden? Bewegen wir unsere Hände viel beim Reden?

 

Wie gehen wir damit um wenn uns etwas ärgert? Was machen wir wenn etwas kaputt geht oder etwas ausgeschüttet wird? Wie trösten wir einander? Wie gehen wir selbst mit unseren Sachen um? Wenn ich meine Jacke achtlos auf den Boden werfe, so sieht mein Kind das und wird es gut möglich auch so machen. Bin ich liebevoll und achtsam zu einem Tier oder einer Blume, so sieht mein Kind auch das.

 

Damit wollen wir nicht sagen, dass man seine Emotionen nicht leben darf. Es ist in Ordnung sich zu ärgern wenn einem danach zumute ist. Und wenn man die Stirn runzelt und die Augen zusammenkneift dann ist das freilich in Ordnung, weil es ist ja ein Ausdruck des eigenen Ichs, und das soll so sein. Das schlimmste wäre, sich zu verstellen, Authentizität ist sehr wichtig. Uns geht es aber darum das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass uns die Kinder immerzu im Blick haben, egal was, womit und wie wir es tun (Thema Handy!).

 

Was für die Kinder aber ebenso wichtig und spannend ist, ist der soziale Austausch und die Erfahrungen mit anderen Kindern. Während wir Erwachsene naturgegeben danach trachten es für das Kind passend zu machen, „nachzugeben“, usw. so wird das mit einem anderen Kind, oder mit einer Gruppe von mehreren Kindern, sehr wahrscheinlich nicht immer der Fall sein. Kinder „lernen“ also auch von anderen Kindern, was es heißt etwas nicht gleich haben zu können, warten zu müssen, usw.


die zeitliche vorbereitete Umgebung

Jeder Mensch hat seine Rituale, seine Abläufe – es gibt uns Sicherheit und Orientierung zu wissen, was als nächstes passiert. Haben wir diese Struktur und Ordnung nicht, so „irren“ wir womöglich den ganzen Tag herum und fragen uns nervös, was uns als nächstes erwartet.

 

Für Kinder ist ein zeitlicher Ablauf sehr wichtig.

 

Wie schon erwähnt, zu wissen was als nächstes kommt, gibt Sicherheit und Ordnung. Wenn das Kind sich nicht fragen muss was jetzt als nächstes passiert, kann es sich viel besser seinen Entwicklungsbedürfnissen widmen.

 

Es ist also wichtig eine Tagesstruktur zu haben, die dem Kind eine Vorgabe gibt, was es heute erwarten kann. Natürlich sollte auch Platz sein für Spontanität, wenn es sich ergibt, aber das Grundgerüst sollte doch relativ beständig sein.

 

Aber bei der zeitlichen Vorbereiteten Umgebung geht es uns nicht nur um Tagesabläufe, sondern auch um folgendes:

Jeder Mensch hat sein eigenes Tempo, arbeitet nach seinem eigenen inneren Takt und Rhythmus. Wo die einen schnell sind, lassen sich die anderen mehr Zeit. Es gibt kein richtig und falsch und kein schneller und langsamer. Daher ist jede Art des Vergleiches, sei es unter Geschwistern, Freunden oder anderen gleichalten Kindern völlig unangebracht!

 

Eine gute zeitliche Vorbereitete Umgebung sorgt eben genau dafür, dass sich ein Kind in seinem eigenen Rhythmus genau den Aktivitäten widmen kann, die es jetzt gerade für seine Entwicklung braucht.

 

Wir müssen also dafür sorgen, dass das Kind ausreichend Zeit hat sich lange und ausführlich mit einem Material oder einer Aktivität zu beschäftigen. Wir müssen unbedingt dafür sorgen, dass das Kind sich ungestört konzentrieren kann und dass es sich in seine Arbeit vertiefen kann, wir dürfen es nicht stören (Ausnahme ist natürlich bei Gefahr im Verzug) und müssen darauf achten, dass es auch von anderen nicht gestört wird. 


Die Bedeutung der Vorbereiteten Umgebung ist wie man sehen kann, eine sehr große. Es ist uns aber an dieser Stelle schon auch sehr wichtig keinen Druck zu erzeugen! Es geht nicht darum das perfekte Regal, das teuerste Material oder den größten Garten zu haben.

 

Wichtig ist zu wissen, dass die Kinder eine ganz große Vielfalt an Erlebnissen, Erfahrungen und Eindrücken brauchen. Es geht darum was wir ihnen vorleben, was wir ihnen mitgeben wollen, es geht um unsere Vorbildrolle.

 

Es geht uns aber auch darum, ihnen alle künstlich entstandenen und unnötigen Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die sie in ihrer natürlichen Entwicklung behindern. Manche Hindernisse sind notwendig, und wenn die Kinder auf diese stoßen, werden sie lernen wie damit umzugehen und sie zu akzeptieren (weil es ist nun mal nicht immer alles möglich was man gerne hätte), aber oft genug gibt es Hindernisse, die einfach nicht notwendig sind.

 

Ein Mensch, der mit seinem Umfeld im Einklang ist, der sich sicher in seiner Umwelt bewegen kann, der ausreichend Möglichkeiten und Zeit bekommen hat an sich selbst zu arbeiten und sich ohne Druck entwickeln zu können, wird ein bereichernder, verantwortungsvoller- und bewusster Teil seiner Gemeinschaft und unserer Gesellschaft werden.